Wie eine Schatzsuche– Wenn aus Kitakindern Gartenzwerge werden

23. Okt 2019 Stephan Harmanus
Wie eine Schatzsuche– Wenn aus Kitakindern Gartenzwerge werden


In der  Kita Sonnenschein – mitten in Berlin – zwischen Kitagebäude und riesiger Baustelle haben die Kindergartenkinder gemeinsam mit dem gemeinnützigen Verein „GemüseAckerdemie“ und der Unterstützung der Erzieherinnen und Erzieher ein Stück grüne Oase geschaffen. Kein Spielplatz, sondern einen Acker. Dabei geht es nicht nur ums Ernten, sondern um so viel mehr.

Triumphierend hält die vierjährige Lena eine riesige Kartoffel in die Höhe. Die hat sie gerade auf „ihrem“ Acker der Kita Sonnenschein in Berlin-Schöneberg ausgegraben. Ihr gleichaltriger Kita-Kumpel Amid steht mit staunend aufgerissenen Augen neben ihr und kann nicht fassen, dass aus den Pflanzen wirklich eine so große Kartoffel gewachsen ist.

Heute ist „Grüner Donnerstag“ und das heißt Erntetag für die Kitakinder. Im Frühjahr haben die kleinen Gärtner Kartoffeln, Rote Beete, Salat, Gurken und Tomaten angepflanzt bzw. ausgesät. Über den Sommer wurde gehegt, gegossen, beobachtet und auch kleine Schädlinge, wie Kartoffelkäfer, abgesammelt. Und heute ist ein „Saisonhöhepunkt“, die Kartoffeln dürfen geerntet werden. Kleine Schippen werden an die zehn aufgeregten Kinder zwischen 3 und 5 Jahren verteilt und schon dürfen sie in der Erde buddeln und Kartoffeln suchen.

„Sebastian! Ich hab eine!“

Anfangs noch zögerlich sind schnell auch die schüchternen Kinder mit dabei und bald ruft es von allen Seiten: „Sebastian! Ich hab eine!“ Gemeint ist Sebastian Wagner,  Erzieher in der Kita und Mitinitiator der GemüseAckerdemie in seiner Kita. Er ist vom Ackern mit den Kindern begeistert: „Ich war überrascht, wie viele positive Aspekte das Ackern mit sich bringt. Vor allem die soziale Kompetenz der Kinder wird gefördert. Sie arbeiten miteinander, kommunizieren und helfen sich. Hier mitten in der Stadt ist alles zugebaut und es ist schön, dass wir hier einen Acker haben und die Kinder so ganz nah die Natur erleben können.“ Auch die Reaktionen der Eltern sind durchweg positiv und das Themen Gemüse und Ernährung sind plötzlich durch die Kinder auch Zuhause im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Tisch.

In der Zeit buddelt der kleine Max sehr eifrig in der Erde. „Vielleicht finde ich ja auch einen Schatz“, gibt er auf Nachfrage als Antwort und husch scharren sich gleich ein paar Jungs um ihn. Aber Sebastian ist auch hier zur Stelle und zeigt den Jungs, wo sie noch ein paar Kartoffeln – „den anderen Schatz“ – ausbuddeln können.

Einen Acker anlegen, selbst aussäen, das Wachstum beobachten und die jungen Pflänzchen hegen, das ist nur ein Teil der Arbeit der GemüseAckerdemie. Nebenbei lernen die Kinder sehr viel über Lebensmittel, wie man Verschwendung vermeidet und was man auch schon so klein für die Umwelt tun kann. Nachhaltigkeit ist hier kein Slogan, sondern gelebter Alltag. Die Pädagogen der Kita integrieren das Thema Acker und Gemüse in den Kitaalltag. Sebastian Wagner: „Wir sprechen in den Gruppen darüber, wo das Essen herkommt, was man aus Gemüse kochen kann oder warum Gemüse so gesund ist. Die Kinder lernen spielerisch und durch ihre eigenen Erfahrungen viel über Ernährung, über die Natur und vor allem das soziale Miteinander“, sagt der Erzieher mit voller Begeisterung für die Sache.

Auch das Essverhalten der Kinder hat sich geändert

Sehr schnell hat sich in der Schöneberger Kita durch das Ackern so auch das Essverhalten der Kinder geändert. Tomaten und Gurken werden direkt auf dem Feld „verkostet“ und alle Kinder wollen ihr Gemüse probieren. „Wenn die Kinder etwas selber angepflanzt haben, dann essen sie es auch“, berichtet Sebastian. Nebenbei nimmt er immer wieder Kartoffeln in Empfang und zeigt geduldig den Kindern, wo sie noch buddeln dürfen. Mit stolzer Miene kommt Lea angelaufen und präsentiert ihre Entdeckung, einen Käfer.

Dass hier aus Kitakindern kleine Gartenzwerge werden, ist dem gemeinnützigen Verein GemüseAckerdemie zu verdanken. Ziel des Vereins ist, jedem Kind – egal welcher Herkunft – einen Lernort in der Natur zu ermöglichen und so Generationen für gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit zu begeistern.

Rund 3000 € kostet die dreijährige Teilnahme als AckerKita. In den Kosten enthalten sind Erstaustattung von Pflanzen, Samen bis Lernprogramme, Bodenprobe und eine Betreuung durch Experten der GemüseAckerdemie vor Ort. Heute bauen 475 Schulen und Kitas innerhalb des Bildungsprogramms der GemüseAckerdemie deutschlandweit ihr eigenes Gemüse an. In Berlin und Brandenburg sind 105 Einrichtungen dabei.

Bald gibt es 30 Acker-Lernorte mehr

Damit nicht Finanzen, Herkunft oder soziales Umfeld über die Teilnahme an der GemüseAckerdemie entscheiden, können Kindergärten und Schulen, so wie die Kita Sonnenschein, die kein Budget für das dreijährige Programm haben, an der GemüseAckerdemie Plus teilnehmen. Hier wird ein großer Teil der Kosten durch Spenden und öffentliche Förderung finanziert und die Kitas zahlen nur noch 500,- € für die Teilnahme. Ein große Spendensumme kommt pünktlich zum 5. Geburtstag der GemüseAckerdemie. Die gemeinnützige Stiftung „Deutschland rundet auf“ hat 300.000 € gesammelt, um in den nächsten drei Jahren 7.000 Kindern an 30 Lernorten das Ackern zu ermöglichen. Schon heute werden durch die Spendenbewegung 14 Kitas und Schulen in Berlin und Brandenburg gefördert. Den großen Scheck gab es zum „Tag des offenen Ackers“ am 29.9. 19 in der Malzfabrik in Tempelhof und somit pünktlich zum 5. Geburtstag der GemüseAckerdemie.

Die Kinder der Kita Sonnenschein beginnen jetzt ihr zweites Ackerjahr und alle Kinder sind mit Freude dabei. Die Ernte von heute wird in der Kitaküche verarbeitet. Nach kurzem Beratschlagen aller „Gärtner“ ist klar: Aus den Kartoffeln werden mittags Pommes für die fleißigen Gartenzwerge!

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